Über die Aktivitäten des Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz
So präsentierten Mitglieder der Initiative Inhalte und Formen ihres Engagements bei der Verleihung des Rahel-Straus-Preises
Der Synagogenplatz ist ein Platz der Trauer und des Respekts vor den jüdischen Ludwigsburgerinnen und Ludwigsburgern, die vom Terror ihrer Nazi-Mitbürger verfolgt wurden.
Der Synagogenplatz ist ein Platz der Menschenrechte , die nach dem Ende der Diktatur ins Grundgesetz geschrieben wurden.
Der Synagogenplatz ist ein bürgerschaftlicher Platz geworden. Seit etwa 15 Jahren ist der Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz die offene Plattform , die Interessierten zur Mitarbeit offensteht – ganz in dem Umfang, den man selbst für passend hält. Der Förderverein Synagogenplatz ist das Werkzeug dieses Engagements, wenn es eine offizielle Struktur braucht.
Auf dem Synagogenplatz finden Veranstaltungen statt, die Informationen und Diskussionen in die Stadt tragen, auch mit Hilfe unserer umfangreichen Internetseite und vielfältiger Öffentlichkeitsarbeit.
Wir hatten grandiose Unterstützung von überlebenden jüdischen Ludwigsburger:innen wie Miriam Weiss oder Harry Grenville , die auf dem Platz und in persönlichen Kontakten ihre Geschichte für die heutigen Bürgerinnen und Bürger der Stadt erlebbar gemacht haben.
Wir hatten wundervolle engagierte Mitstreiter:innen wie Albert Sting , Susanne Müller und Uwe Müller oder Werner Unseld , die gestorben sind.
Wir haben tolle aktive und passive, ältere und jüngere Unterstützer:innen aus verschiedenen Bereichen der Bevölkerung und in zahlreichen Gruppen und Institutionen, die sich beteiligen und die aus den Anregungen und Angeboten, die vom Synagogenplatz ausgehen, bürgerschaftliche Diskussionen machen. Im Idealfall werden diese Diskussionen Teil bürgerschaftlicher Entwicklungen.
Wir sind sichtbar und hörbar in der Stadt. Wir stehen für die Erinnerung und die Menschenrechte ein, auch ganz konkret in Ludwigsburg. Wir treten allen Ideen energisch entgegen, diese Rechte für bestimmte Menschengruppen einzuschränken. Unsere Veranstaltung zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes stand unter dem Motto „Wir haben viel zu feiern und viel zu verteidigen“. Das und noch mehr tun wir gerne und beherzt. Wir verteidigen die solidarische, demokratische Gesellschaft , die wir auch im Engagement um den Synagogenplatz erleben – und wir feiern sie !
(Jochen Faber)
Guten Tag, mein Name ist Frank Hofmann und ich möchte Ihnen von einer Aktion erzählen, die wir im Oktober 2021 (hie auf dem Synagogenplatz gemacht haben.
2021 gab es die bundesweite Kampagne „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ . Wir in Ludwigsburg hatten uns schon lange vorher Gedanken darüber gemacht, wie wir hier in angemessener Form teilnehmen können. Ich war sehr glücklich über diese Kampagne – und zwar wegen des Titels: jüdisches LEBEN.
Denn bei allem Gedenken, Erinnern und Aufarbeiten sollten wir meines Erachtens doch nicht vergessen, dass am Ende – oder am Anfang – das LEBEN steht. Oder – wie es jüdische Freunde ausdrücken etwas provozierend würden – Judentum ist nicht nur Klezmer, es ist auch Heavy Metal.
Und ich finde, es passt sehr gut, das Thema auf dem Platz zu feiern, auf dem das jüdische Leben einmal pulsierte – dem Platz der Synagoge.
So kamen wir auf die Idee, hier auf dem Synagogenplatz eine Film-Nacht zu machen. Ein Open Air Kino mit Live-Musik, Podiumsdiskussion und Publikumsbeteiligung.
Wir zeigten den Film Masel Tov Cocktail , der auch noch von einem Absolventen der Ludwigsburger Film-Akademie gemacht worden war. Und dieser Regisseur Arkadij Khaet war an diesem Abend auch anwesend! Wahrscheinlich kennen viele von ihnen diesen Film. Es erzählt von einem jungen jüdischen Mann in Deutschland und schildert auf sehr originelle, treffende und auch lustige Art die Schwierigkeiten eines jungen Menschen, der eigentlich nur eines sein will: ein junger Mensch! Und der nicht ständig auf seine Religion angesprochen werden möchte, der nicht für alles Mögliche verantwortlich gemacht werden möchte und mit Vorurteilen aller Art kämpfen möchte, mit negativen und positiven!
Wir haben für diesen Abend noch mehr Gäste eingeladen. Da war zum Beispiel Anna Weiler , die Präsidentin der jüdischen Studierenden-Union in Deutschland . Sie konnte uns sehr deutlich und lebendig erzählen, was jüdisches Leben in Deutschland heute ist.
Und wir haben die jungen Leute von Lubu Beatz eingeladen – das sind junge Menschen mit teils sehr intensiven Biografien, die in einem Projekt Rap und Hip-Hop-Musik machen. Sie haben an diesem Abend für uns gespielt. Überhaupt waren viele junge Menschen beteiligt, besonders erwähnen möchte ich noch die Jugendgruppe der islamischen Gemeinschaft Ludwigsburg, die mit ihrem Imam hier war, sich den Film angesehen hat und sich auch in der Diskussion beteiligt hat.
Der Abend war ein toller Erfolg. Der Platz war voll. Wir mussten sogar etwas später anfangen, weil wir tatsächlich noch Stühle nachbestellen mussten (ein guter Grund für eine Verspätung!).
Es war ein Abend im Oktober. Das Wetter hat auch mitgespielt, auch wenn es gegen Ende schon richtig kalt wurde und ein Kollege des Integrationsrats mir Tage später gesagt hat, dass er sich an diesem Abend eine richtige Erkältung eingefangen hat.
Aber auch selbst wenn es so war, das war’s wert.
(Frank Hofmann)
Sehr geehrte Damen und Herren, im Arbeitskreis Synagogenplatz sind wir der Meinung, dass sowohl Gedenken als auch Grundgesetz alle angeht. Und wenn wir alle sagen, meinen wir auch alle – ganz egal wie alt wir sind, egal wo wir her kommen, egal, was unsere soziale Herkunft, unsere geschlechtliche Identität, unsere sexuelle Ausrichtung usw. ist. Wir meinen ALLE, die in unserem vielfältigen Ludwigsburg leben.
Wie Frank Hoffmann gerade schon sagte: Es geht um das Gedenken, aber es geht auch um das Leben.
Wir versuchen deshalb, bei Grundgesetz- und bei Gedenkfeiern zu zeigen, WARUM es wichtig ist, zu gedenken und was das mit uns heute und unserer Zukunft zu tun hat und auch, verschiedene Perspektiven zu beleuchten.
So haben wir das auch an der Gedenkfeier im November 2023 gemacht. In einer Situation, wie Sie alle erinnern, die nach dem 07. Oktober auch in Deutschland aufgeladen war. Selten haben wir uns so eng vor einer Veranstaltung abgestimmt, selten waren wir so angespannt, selten waren aber auch so viele Menschen bei der Gedenkfeier.
Wir spielten eine Videobotschaft von Dr. Blume, Beauftragter des Landes gegen Antisemitismus ein, wir hörten einen Zeitzeugen des Brandanschlags auf die Synagoge hier in Ludwigsburg. Neben Oberbürgermeister Dr. Knecht haben wir David Holinstadt von der Israelitischen Religionsgemeinschaft und Derya Sahan von der Fachstelle Extremismusdistanzierung auf das Podium eingeladen. Motto der Veranstaltung „Das wird man doch wohl sagen dürfen – und was wir dem entgegnen müssen“ .
Ziel war es zu zeigen, dass wir im Heute die Verantwortung tragen dafür, dass sich die Greueltaten der Nazizeit nicht mehr wiederholen. Und auch wie wir uns gegen Rassismus und Antisemitismus in unserer nächsten Umgebung stellen können, zu zeigen, was jeder und jede von uns tun können. Wir stellten uns damit auch in eine Reihe mit Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland der sagte: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder angegriffen und Angriffe auf sie gefeiert werden. Wir dürfen aber auch nicht zulassen, dass Rassisten die Situation ausnutzen und in falscher Solidarität mit Jüdinnen und Juden ihren antimuslimischen Rassismus ausleben. Als Demokratinnen und Demokraten dürfen wir uns nicht spalten lassen.“
Soweit so gut, könnte man meinen. Warum erzähle ich Ihnen das? Selten haben wir auch im Nachgang zu einer Veranstaltung so viel Kritik erhalten. Warum? Unter anderem weil eine Frau mit Kopftuch, ihres Zeichens außerdem noch ausgewiesene Expertin für Extremismusdistanzierung, bei der Gedenkveranstaltung sprechen durfte. Selten waren wir also auch so irritiert nach einer Veranstaltung und haben im Nachgang so viel besprochen. Aber: Wir lassen uns nicht beirren darin, zu gedenken, die Verbindung von Vergangenheit mit der Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft zu betonen. Und zwar für alle und mit allen. Denn es geht um Gedenken, um die Lehren daraus, um unsere Demokratie und um unsere Verantwortung. Es geht um Leben.
(Anne Kathrin Müller)