23. Mai 2022:

Das Grundgesetz und die Sehnsucht nach Frieden

Die Grundgesetz-Feier am 23. Mai 2022: Wenn die Verfassung Geburtstag hat, ist das ein Grund zu feiern. Wenn gleichzeitig ein brutaler Krieg in Europa geführt wird, ist das ein Grund, nachdenklich zu feiern. Dank der Aktiven im Arbeitskreis „Dialog Synagogenplatz“ und dank der Gäste und Programmpunkte ist das bestens gelungen und konnten der öffentlichen Diskussion in der Zivilgesellschaft gute Beiträge hinzugefügt werden. Hier gibt es ein Video der Veranstaltung...
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10. November 2021:

Erinnerung für die Menschlichkeit

Am 10. November – dem Tag, an dem in Ludwigsburg die Synagoge abgebrannt wurde – warb 2021 die Erste Bürgermeisterin Renate Schmetz dafür, sich heute für Menschlichkeit einzusetzen in Erinnerung an die Verbrechen des Nazi-Regimes.

Michael Kashi, der in Tel Aviv geborene Jude, der seit 1968 in Deutschland lebt, hier ein erfolgreicher Unternehmer war und hoch engagiert bis heute ist im Aufbau jüdischen Lebens, eines jüdischen Sportvereins, des forums jüdischer kultur berichtete frei sprechend aus seinem Leben voller Abenteuer und spannender Wege.

Er berichtete, wie ihm Jüdinnen und Juden in Israel und in Deutschland von der Ermordung ihrer Angehörigen erzählten. Ein Mann hatte ihm berichtet, wie er als Jugendlicher mit der ganzen Familie im Viehwaggon verschleppt wurde. Der Zug hielt, „Aussteigen“, die fitten Männer nach rechts, der Rest nach links, und während die fitten Männer weitergehen und dann zurück in den Zug, ermorden die Soldaten mit Maschinengewehre alle anderen – auch die ganze Familie des Mannes, von dem Michael Kashi erzählte. Die Eltern, die Großeltern, die jüngeren Geschwister. „Ich erzähle es, damit diese Menschen nicht vergessen werden – denn wenn ein Mensch vergessen wird, stirbt er ein zweites Mal.“

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10. November 2021:

Erinnerungen an Exil und Heimat

Am 10. November – dem Tag, an dem in Ludwigsburg die Synagoge abgebrannt wurde – führten Angehörige von Max und Eva Neiman wichtige Stationen aus dem Leben der Geschwister auf. Im Kulturzentrum Ludwigsburg (KUZ) wurde durch Diana Kölz, Constanze Kölz und Julia Holden mit der Unterstützung vieler Musiker*innen aus der Region erlebbar, wie aus einer friedlichen Berliner Jugend ein dramatisches Stück Weltgeschichte wurde. Die Veranstaltung wurde von der Volkshochschule Ludwigsburg in Kooperation mit dem Förderverein Synagogenplatz organisiert.
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7. Oktober 2021: Masl Tov Cocktail als Publikums-Magnet

Das perfekte Open-Air-Kino – im Oktober! Auf dem Ludwigsburger Synagogenplatz lief am 7. Oktober 2021 der grandiose Kurzfilm „Masel Tov Cocktail“, Regisseur Arkadij Khaet war da, Anna Veiler von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg und Mathieu Coquelin (Fachstelle Extremismus-Distanzierung Baden-Württemberg), im Publikumsgespräch moderiert von Martin Wendte. Und es gab sehr starke Musikauftritte von Lubu Beatz, die von Frank Hofmann moderiert wurden. Die Diskussionen über das Leben von Jüdinnen und Juden im heutigen Deutschland waren beherzt und aufschlussreich. Das Publikum war nicht nur zahlenstark und jung, sondern auch neugierig und aufgeschlossen. Der Eintritt war frei, die Rede war frei – und niemand verzapfte judenfeindliche Parolen. Wie gesagt: Das perfekte Open-Air-Kino.

Wer auf das Bild zur Veranstaltung hier klickt, wird weitergeleitet zu einer umfangreichen Bildergalerie.

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25. Septmber 2021:

Zum Tod von Werner Unseld

Werner Unseld hat vielen seiner Mitmenschen viele Anregungen gegeben. Manche mögen es als Provokation empfunden haben, viele haben es sofort als Bereicherung erlebt. Vielen wird dabei gar nicht klar gewesen sein, dass Werner Unseld dahinter steckte, wenn sie ins Staunen oder ins Nachdenken kamen. Ende September ist er im Alter von 69 Jahren gestorben. Werner Unseld war Soziologe und Kulturwissenschaftler. Er sammelte Wissenswertes, bereitete es verständlich auf, stellte neue Zusammenhänge her und fügte nach sorgfältigem Nachdenken Eigenes hinzu. Er konzipierte Ausstellungen (legendär: „Zwischen Kanzel und Kehrwoche“) im Landeskirchlichen Museum, das von 1994 bis 2006 in der Ludwigsburger Friedenskirche war. Er war in der Leitung des Freilichtmuseums Beuren tätig. Er, der von der Ostalb kam und nie die Mundart verleugnete, sammelte Begriffe lokalen Dialekts in Fellbach und erschloss sie in einem Wörterbuch. In Ludwigsburg ist eines seiner Konzepte Teil des Stadtbilds geworden: Seit einigen Jahren wird mit Koffer-Skulpturen auf dem Synagogenplatz an die vertriebenen und ermordeten Jüdinnen und Juden der Stadt erinnert. Dies geht auf eine von Werner Unseld angestoßene Aktion von 1998 zurück. Da sammelten Engagierte alte Koffer und malten die Namen verfolgter jüdischer Nachbarinnen und Nachbarn darauf, stellten sie auf dem Marktplatz als temporäres Mahnmal auf und trugen sie in der Nacht zum 10. November auf den Synagogenplatz – 60 Jahre, nachdem Nazis und ihre Helfer die Ludwigsburger Synagoge in Brand gesteckt hatten. Ein Projekt ist noch nicht vollendet: In den letzten Jahren entwickelte Werner Unseld mit der Ludwigsburger Stolperstein-Initiative ein Konzept für ein Mahnmal am Neckartal-Radweg zwischen Remseck und Ludwigsburg. Unweit dieses Wegs waren in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Männer erschossen worden, weil sie als Deserteure oder Widerständler gegen die nationalsozialistischen Überfälle anderer Länder von Militärgerichten verurteilt worden waren. Werner Unseld engagierte sich für Projekte, die große Begriffe wie Humanismus und Solidarität in die Sprache des Alltags übersetzten. Dabei setzte er sich nicht nur für große Vorhaben ein. Im Ruhestand hatte er auch kleinere Aufgaben übernommen, um beispielsweise in der Stolperstein-Initiative oder im Arbeitskreis „Dialog Synagogenplatz“ inhaltliche und organisatorische Beiträge zu leisten. Wenn Ideen oder Initiativen aufkamen, nahm er sich gerne Zeit, um Dinge konsequent zu durchdenken und kritisch zu bewerten. Wenn er dann eine Position vertrat, konnten alle Beteiligten sich sicher sein, dass sie ebenso herzlich wie klug abgewogen war. Das Ergebnis konnte auch sein, dass er eine zunächst attraktiv scheinende Idee unter Gleichgesinnten bremste. Sein freundliches Wesen ermöglichte andererseits auch Menschen, die sich gesellschaftlich ganz anders positionierten, den Zugang zu seinen Gedanken.
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23. Mai 2021: Das Grundgesetz feiern

Das Grundgesetz ist die kluge Antwort auf die Verbrechen, die Deutsche in der Zeit des NS-Regimes begangen haben. Darum feiern Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz und Förderverein Synagogenplatz Ludwigsburg jährlich am 23. Mai das Grundgesetz mit seinen Menschenrechts-Artikeln.

Der Geburtstag des Grundgesetzes ist ein guter Anlass klar zu machen: Diese Verfassung schützt alle Menschen, die in Deutschland leben, gleichermaßen.

Bereits im vergangenen Jahr wurde bei einer virtuellen Feier des Grundgesetzes darauf hingewiesen, dass die vorübergehenden Einschränkungen von Grundrechten während der Corona-Bedrohung dem Schutz aller dienen, die ansonsten der tückischen Krankheit ausgeliefert wären.

In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf dem wunderschönen allerersten Satz des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und seiner, auch aus dem jüdischen Denken stammenden, Geschichte.

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10. November 2020: Tag der Erinnung

Die Veranstaltung zum Tag, an dem sich die Brandstiftung in der Ludwigsburger Synagoge zum 72. Mal jährte, fand „hybrid“ statt: Die meisten Interessierten nahmen am Live-Stream auf dieser Internetseite teil, es waren etwas mehr als 200 Geräte, die zugeschaltet waren (und wir freuen uns über jedes, vor dem mehrere Personen zuschauten). Auf dem Synagogenplatz war lediglich ein improvisiertes Sendestudio aufgebaut. Von dort wurden vorbereitete Beiträge in den Stream geschickt. Dort wurde live moderiert.

Und dort wurde auch der Beitrag von Professor Frederek Musall, der als Zoom-Konferenz mit der Möglichkeit zu Rückfragen und Diskussion organisiert war, eingebunden.

Hier sind auch die Videobeiträge des Termins zu finden: Konrad Seigfried, Erster Bürgermeister der Stadt Ludwigsburg, mit einem engagierten Grußwort • Bürgerinnen und Bürger der Stadt haben sich für eine Video-Staffette corona-gerecht zur Verfügung gestellt • Diana Kölz aus Ludwigsburg liest aus den Jugenderinnerungen ihres später als Jude verfolgten Großonkels • Die Sängerin Izabela Barbu steuert selbst in Szene gesetzte Musikbeiträge vom Synagogenplatz bei.

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9. November 2020: Schüler*innen trotz Corona aktiv

Das Ludwigsburger Friedrich-Schiller-Gymnasium setzte trotz der Corona-Einschränkungen ein Zeichen: Jüngere Schülerinnen und Schüler hatten durch bemalte Steine ihre Gefühle für die von Nazis verfolgten jüdischen Ludwigsburger*innen ausgedrückt. Und überwiegend ältere gestalteten eine Erinnerungs- und Informationsveranstaltung auf dem Synagogenplatz. Der 9. November – der Tag, an dem 1938 in den meisten Städten mit Synagogen die jüdischen Gotteshäuser von Nazis in Brand gesteckt wurden, kam dadurch vielen Beteiligten und Passantinnen und Passanten ins Bewusstsein. Dass die gesamte Veranstaltung unter den Vorgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie stattfand, zeigte: Vernunft und Solidarität können gut gelingen.
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9. August 2020: Zum Tod von Albert Sting

Die mit ihm zusammenarbeiten konnten, freuten sich über Albert Sting, seine Klugheit, sein Wissen und seine große Energie. Nun ist er im Alter von 96 Jahren gestorben und hinterlässt viel Dankbarkeit.

Albert Sting hat für die vorwärtsgewandte Erinnerungspolitik in Ludwigsburg Großes geleistet. Von seinem fundierten Wissen hat die Stadtgesellschaft vielfach profitiert, viele Initiativen und Projekte sind mit seinen Arbeiten und seinem Engagement eng verbunden.

Als ein paar Dutzend Menschen sich 2007 im Saal des Ludwigsburger Staatsarchivs trafen, um über die Gründung einer Ludwigsburger Stolperstein-Initiative zu beraten, erweiterte Albert Sting die Diskussion um einen sehr spannenden Gedanken: Er formulierte die Gefahr, dass eine aktive und sich selbst finanzierende Stolperstein-Gruppe in Teilen der Stadtverwaltung und des Gemeinderats zu einer noch weiter nachlassenden Aktivität am Synagogenplatz führen könnte. Damit gab Albert Sting einen wichtigen Impuls für einige der Anwesenden, beide Themen parallel zu betreiben und darauf zu achten, dass das eine nicht gegen das andere ausgespielt werden könne.

Durch seine aktive Mitarbeit im Förderverein Synagogenplatz Ludwigsburg, dessen stellvertretender Vorsitzender er trotz seines schon damals beträchtlichen Alters über viele Jahre hinweg war, hat er diesen Verein geprägt und durch historische und aktuelle Beiträge wieder und wieder bereichert.

Im Dezember 2015, als viel zu viele menschenfeindliche Aktionen sich in der Republik gegen Menschen richteten, die aus existenzieller Not nach Deutschland geflüchtet waren, griff Albert Sting sehr engagiert die Idee auf, in einer Videobotschaft seinen Standpunkt dazu zu formulieren. Angesichts der Brandstiftung in der Ludwigsburger Synagoge 1938 und aktueller Brandsätze gegen Unterkünfte von Geflüchteten fragte er: „Sind irgendwelche Menschen, die jetzt zu uns gekommen sind, unser Unglück?“ – ganz bewusst in Anlehnung an die Propagandasprache der Nazis. Und er widersprach energisch. Mit dem Nachdruck eines Mannes, der ganz bewusst nach seiner Militärzeit den Beruf eines Pfarrers ergriffen hatte, formulierte er „Jeder Fremde ist eine neue Entdeckung für uns“. Und er forderte von jeder und jedem, aktiv zu werden, „um den Anfängen zu wehren“.

Dass Albert Sting bei seinem Ausscheiden aus dem Vorstands-Amt des Fördervereins Synagogenplatz Ludwigburg die Ehrenmitgliedschaft verliehen bekam, war nicht nur eine formale Geste. Es war und bleibt Ausdruck des Respekts und der Dankbarkeit für so viel beherzten und klugen Einsatz.

Darüber hinaus sind alle historisch Interessierten in Ludwigsburg Albert Sting zu großem Dank verpflichtet für seine dreibändige „Geschichte der Stadt Ludwigsburg“, die eine kaum vorstellbare Menge von wichtigen und aussagekräftigen Quellen zum Geschehen in unserer Stadt zur allgemeinen Verfügung stellt.

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20. Juni 2020: Black Lives Matter

Nachdem ein Polizist in den USA den Schwarzen George Floyd bei der Festnahme qualvoll getötet hatte, verbreitete sich über viele Länder eine Protestbewegung: „Black Lives Matter“. Auch in Ludwigsburg formierte sich ein breites und vielfältiges Bündnis und organisierte (unter Corona-Bedingungen) eine Kundgebung auf dem Rathaushof.


Der Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz gehörte zu den Organisatoren: „Wer sich mit der Geschichte des Synagogenplatzes und seiner Menschen beschäftigt, muss aufstehen, wenn Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe ausgegrenzt, ihrer Rechte beraubt und, wie im Fall von George Floyd, getötet werden“, so Jochen Faber bei der Eröffnung der Veranstaltung.

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4. Juni 2020: Sicherer Hafen Ludwigsburg

Der Förderverein Synagogenplatz Ludwigsburg unterstützt den fraktionsübergreifenden Antrag an den Ludwigsburger Gemeinderat, die Stadt Ludwigsburg zum Sicheren Hafen für aus Seenot gerettete Geflüchtete zu erklären – das teilt der Verein in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit dem „Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz“ mit.

Die entsprechende Initiative der Organisation „Seebrücke“ entspreche „voll und ganz dem Anliegen des Fördervereins“, heißt es zur Erklärung. Denn der Förderverein setzte „sich dafür ein, die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus und an ihre Opfer wach zu halten.“ Und er setze diese Erinnerung in der Gegenwart in Engagement für die Menschenrechte um, die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert werden..

„Viele der im Nationalsozialismus verfolgten Menschen versuchten, unter anderem auf dem Seeweg, in sichere Häfen und Länder zu gelangen“, so der Text, den der Förderverein in virtuellen Sitzungen diskutiert und abgestimmt hat. „Sehr oft wurden sie von diesen Ländern abgewiesen. Dadurch fielen sie dem mörderischen Regime zum Opfer.“ Daher sehe man eine besondere Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Kommunen und aller einzelnen Bürgerinnen und Bürger, „für Menschen, die heute aufgrund von Krieg und Verfolgung zur Flucht gezwungen werden“..

Weiter heißt es: „Aus dieser Verantwortung heraus dürfen wir nicht weiter zusehen, dass Menschen auf dem Mittelmeer sterben. Es ist auch verantwortungslos, wie Menschen auf der Flucht in überfüllten Lagern – teils innerhalb der EU – unter menschenunwürdigen Verhältnissen leben müssen und besonders gefährdet sind in Zeiten der Corona-Pandemie. Deshalb setzen wir uns ein für ein offenes Europa, solidarische Städte und sichere Häfen.“.

Nachdem sich zahlreiche Kräfte aus Ludwigsburg für das Projekt stark gemacht hatten, hat der Gemeinderat beschlossen, Ludwigsburg zum „Sicheren Hafen“ zu erklären.

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23. Mai 2020: Grundgesetzfest (virtuell)

Verschiedene Akteur*innen untersuchten in Video-Beiträgen ganz aktuell: Wie geht es den Menschen und den Grundrechten in dieser Zeit, in der die Gesellschaft sich durch radikale Einschränkungen im Zusammenleben gegen eine neuartige Viruskrankheit zu schützen versucht?

„Die Bürgergesellschaft einbeziehen“ forderte der Staats- und Verwaltungsrechtler Prof. Johann Bader beim Gespräch auf dem Synagogenplatz, um die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen gut und gemeinschaftlich zu steuern. 
Weitere Themen: • Die aktuellen Grundrechts-Einschränkungen mit dem NS-Unrecht gleichzusetzen, ist unzulässig • Die Einbeziehung der Parlamente sichert Kontrollen staatlichen Handelns – anders als beispielsweise in Ungarn • Warum Grundrechte auch eingeschränkt werden können müssen • Der Rechtsstaat wirkt: Gegen missglückte An- und Verordnungen können Bürger*innen klagen (und hatten aktuell auch schon Erfolge). 
Prof. Johann Bader ist Rechtsanwalt und Mediator in Stuttgart. Zuvor war er als Richter beim Verwaltungsgericht Stuttgart und beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim tätig. Er ist Dozent für Staats- und Verwaltungsrecht und Honorarprofessor der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. Er ist Autor und Herausgeber von Fachbüchern u.a. in den Bereichen Verfassungs- und Verwaltungsrecht.

„Mit den Grundrechten durch die Corona-Krise“: Ludwigsburgs Oberbürgermeister Matthias Knecht unterstreicht, dass die Grundrechte weiterhin gelten, auch wenn einige Freiheiten vorübergehend eingeschränkt wurden – das öffentliche Leben im Bund, im Land und in den Städten und Gemeinden steht weiterhin auf der Grundlage der Verfassung: Beispielsweise sind Menschenwürde, Eigentum, Berufsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Versammlungsfreiheit sind nach wie vor die Basis öffentlichen Handelns.

„Freie Entfaltung der Persönlichkeit UND das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“: In Artikel 2 des Grundgesetzes findet Konrad Seigfried, Erster Bürgermeister der Stadt Ludwigsburg, die beiden Güter, die aktuell austariert werden müssen. Er setzt sich dafür ein, Einschränkungen während einer Pandemie zu akzeptieren, um dadurch anderen Menschen die Gesundheit und das Leben zu erhalten.

Mehr Informationen zum Grundgesetz in einfacher Sprache gibt es bei der Bundeszentrale für politische Bildung – hier klicken

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ – doch wirkt sich die Corona-Krise auf beide Geschlechter gleich aus? Die Ludwigsburger Gleichstellungs-Beauftragte Judith Raupp hat beunruhigende Informationen und Prognosen.

„Es gibt kein Grundrecht, die Opfer von NS-Verbrechen zu verhöhnen!“ Dass Gegner aktueller Corona-Maßnahmen sich mit den Opfern des NS-Terrors vergleichen, findet Jochen Faber von Förderverein Synagogenplatz Ludwigsburg unerträglich. Er fordert: „Lasst uns die Mehrheit der halbwegs Freundlichen und Klugen verteidigen, auch wenn es anstrengend sein mag.“

„Eigentum verpflichtet!“ Herbert Babel, ein engagierter Bürger Ludwigsburgs, weist zum Grundgesetz-Geburtstag 2020 auf einen Missstand hin: Trotz erheblicher Wohnungsnot stehen Wohnungen leer, sind Bauplätze in der Stadt unbebaut. Wie setzt die Stadt Ludwigsburg durch, was das Grundgesetz verlangt – nämlich, dass Eigentum der Allgemeinheit dienen soll?

8. Mai 2020: 75 Jahre nach der Befreiung

Der Ludwigsburger Synagogenplatz erinnert daran: Am 8. Mai 1945 ging nicht „nur“ ein grausamer Krieg zu Ende, sondern da endete ein brutales Regime mit seinen furchtbaren Zielen. Im eigenen Land hatte sich kein ausreichender Widerstand gegen den planmäßigen Terror der Nazis gebildet, die Mehrheit der Bevölkerung hatte zwischen Gehorsam, Zustimmung und Erdulden ihre Position gewählt. Es war die militärische Gewalt der aufgeklärten Länder, die die Menschen in Europa von der mörderischen Diktatur des Nationalsozialismus befreite.

„Was ist Ihre Haltung zum 8. Mai als einem Tag der deutschen Geschichte?“ fragte der Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz in einer offenen Umfrage. „Sollte er ein Feiertag sein – gar ein Nationalfeiertag? Was gibt es zu feiern? Was gibt es zu bedenken?“

Einige Personen meldeten sich mit kleinen Videobeiträgen, um diese wichtige Diskussion zu führen und zu weiteren Gedanken anzuregen.

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10. November 2019: „Erinnern und engagieren“

Aus dem düsteren Anlass eine positive Botschaft zu entwickeln, ist jedes Jahr am 10. November das Bestreben der Menschen, die auf dem Ludwigsburger Synagogenplatz zusammenkommen. Der Tag, an dem im Jahr 1938 örtliche Nazis die Synagoge der jüdischen Gemeinde der Stadt in Brand steckten, ist ein Grund zu Erinnung und Mahnung. Die Veranstaltung ist stets ein Zeichen für Wachsamkeit und Engagement, damit die Menschenrechte aller Menschen geachtet werden.

2019 übernahm der neu gewählte Oberbürgermeister Matthias Knecht die Begrüßung der Gäste mit einem engagierten Beitrag, das Trio Revkele überzeigte mit einem breiten musikalischen Spektrum. Prof. Frerderek Musall, der als Hauptreferent eingeladen war, konnte aus familiären Gründen lediglich ein Manuskript zur Verfügung stellen, das von der Integrationsbeauftragten der Stadt Ludwigsburg, Anne-Kathrin Müller, vorgetragen wurde. Darin zog Musall die Linie von den Verbrechen der Nazis zu judenfeindlichen Attacken in den letzten Tagen und Wochen und rief zu nachhaltigem Schutz vor solchen Übergriffen auf – auch zum Einschreiten gegen verbale Entgleisungen, die Angehörige einer bestimmten Menschengruppe zur Zielscheibe machen.

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23. Mai 2019: 70 Jahre Grundgesetz – ein großes Fest auf dem Synagogenplatz

„Wir stehen auf… unser Grundgesetz“, sagen die Aktiven des Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz und laden alle Interessierten zu einem Fest aus Anlass des 70. Geburtstages der Verfassung ein. Am Donnerstag, 23. Mai, gibt es ab 18 Uhr auf dem Platz der ehemaligen Synagoge ein vielfältiges Programm. Jugendliche und erwachsene Bürgerinnen und Bürger der Stadt bieten mit Musik, Theater und Redebeiträgen zahlreiche Anregungen, sich mit den Zielen des Grundgesetzes und der Wirklichkeit im Land auseinanderzusetzen.

„Das Grundgesetz – Alltagsbegleiter oder Altpapier?“ fragte provokativ ein Jugendlichen-Workshop der Volkshochschule und produzierte dazu einen kurzen Film, der auf dem Synagogenplatz seine Uraufführung erleben wird. Neben der Stadt Ludwigsburg begleiteten die Landeszentrale für politische Bildung und der Filmemacher Sebastian Weimann die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Für die Stadt Ludwigsburg hat Oberbürgermeister Werner Spec seine Teilnahme zugesagt. „Dass die Stadtverwaltung seit vielen Jahren die zukunftsgewandte Erinnerungskultur auf dem Synagogenplatz mit trägt, ist ein gutes und wichtiges Signal“, finden die Veranstalter des Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz. „Nach der Verstrickung der Stadtverwaltung in die Brandstiftung vor über 80 Jahren zeigt solche Beteiligung immer wieder neu, wie grundlegend sich die Haltung verändert hat. Menschen in Ludwigsburg und die Stadtverwaltung gehen gemeinsam verantwortungsbewusst mit der Vergangenheit um.“

Eine „ernste komische Liebeserklärung an ein geschichtsträchtiges Musikstück“ präsentiert das Ludwigsburger Streichquartett gemeinsam mit der Schauspielerin Barbara Stoll: „Kaiserquartett und Deutschlandlied“ geht auf einen Text von Christof Stählin und die als Nationalhymne verwendete Musik von Joseph Haydn zurück.

Schülerinnen und Schüler der „Vorbereitungsklasse Arbeit/Beruf ohne Deutschkenntnisse“ der Robert-Frank-Schule haben eine Text-Musik-Aktions-Performance unter dem Titel „Wir stehen auf unser Grundgesetz“ gemeinsam mit Sascha Albrecht und Roland Schmierer vorbereitet. Aktive des Arbeitskreises Dialog Synagogenplatz haben einige der wichtigsten Artikel des Grundgesetzes auf ihren praktischen Wert in den zurückliegenden siebzig Jahren hin untersucht – die Ergebnisse werden in ansprechender Form präsentiert.

Mehrere musikalische Beiträge haben Musikerinnen und Musiker der Ludwigsburger Plattform „Lubu Beatz“ eigens für diesen Tag entwickelt und werden sie erstmals live präsentieren. Zeitgemäße Rap-Musik wird mit authentischen Texten von jungen Ludwigsburgern kombiniert, die sich erfreut und auch kritisch mit der Wirklichkeit in Deutschland auseinandersetzen.

Ein besonderes Highlight wird die Veranstaltung beschließen: Sängerinnen und Sänger der Kantorei der Karlshöhe unter der Leitung von Nikolai Ott haben ihre Mitwirkung zugesagt und kommen mit zwei besonderen Liedern zu diesem Tag auf diesen Platz.

„Wir feiern die Menschenrechte, die das Grundgesetz jedem und jeder garantiert“, so der Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz und der Förderverein Synagogenplatz, die das Programm organisiert haben. „Und wir sind begeistert von der großen Bereitschaft engagierter und kulturell aktiver Menschen aus Ludwigsburg, dieses Fest zu unterstützen.“ Da der Synagogenplatz ein sichtbarer Hinweis darauf sei, wohin eine Missachtung der Grundrechte führe, sei dieses Datum „ein hervorragender Anlass für die Menschen der Stadt, hier Gesicht zu zeigen“ und eine sehr gute Einstimmung auf den darauf folgenden Wahlsonntag, der bei der Europawahl eine Möglichkeit biete, ausdrücklich die Kräfte zu stärken, die für die Menschenrechte einstehen.

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Der Synagogenplatz am 1. Mai 2019

Am 1. Mai 2019 führte die von der IG Metall organisierte mobile Kundgebung auch über den Synagogenplatz. Dort zog der Vorsitzende des Fördervereins Synagogenplatz Ludwigsburg, Jochen Faber, Verbinungen zwischen der Geschichte des Platzes und seiner Menschen zu der kurz bevorstehenden Wahl des Europaparlaments:

„Es brennt, Brüder, es brennt!“

Dieser Satz hat natürlich auf einem Synagogenplatz wie diesem hier eine ganz eigene, noch brutalere Bedeutung. Dieser Satz stammt aus einem Text, den der Liedermacher Mordechaj Gebirtig 1938 auf Jiddisch schrieb. 
„’s brent, briderlech, ’s brent!“


Nach einem antijüdischen Pogrom in seiner polnischen Heimat flehte Gebirtig seine Schicksalsgenossen an, aktiv zu werden, zusammenzustehen, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen:


„Helfen müsst ihr selber euch, es brennt!


Steht nicht, Brüder, steht nicht länger,


endlich regt die Händ’,


steht nicht Brüder, löscht das Feuer,


wenn unser Städtchen brennt!“

1942 wurde Mordechaj Gebirtig in Krakau von Deutschen ermordet.

Dieses Lied wurde auch schon hier auf dem Synagogenplatz in Ludwigsburg gesungen, um anzuklagen, dass 1938 Ludwigsburger Nazis die hier stehende Synagoge anzündeten. Noch am Tag der Brandstiftung verhafteten örtliche Nazis viele Männer in der Stadt – ohne rechtliche Grundlage, nur weil sie zu einer bestimmten Menschengruppe gehörten. Viele von ihnen wurden ausgeraubt, vertrieben, verfolgt, über 60 Kinder, Frauen Männer aus der jüdischen Gemeinde in Ludwigsburg wurden ermordet – aus dem einen Grund, dass sie eben jüdisch waren.

Es ging kein Aufschrei durch Deutschland, „steht nicht, Brüder, steht nicht länger, endlich regt die Händ’, steht nicht Schwestern, löscht das Feuer“? Nein. Keine starke, gemeinsame Aktion erhebt sich gegen die das Unrecht der Nazis.

Und warum steht Ihr jetzt hier – Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der 1. Mai-Demonstration des DGB im Jahr 2019? Warum passt Ihr mit Eurer stolzen Forderung „für ein solidarisches und gerechtes Europa“ so gut auf diesen traurigen Platz?

Fünfeinhalb Jahre, bevor die jüdischen Ludwigsburgerinnen und Ludwigsburger immer rücksichtsloser, immer brutaler verfolgt wurden, hatte diese Stadt eine ähnliche Situation schon einmal erlebt. Auch da wurden im Ludwigsburg Männer verhaftet – ohne rechtliche Grundlage. Auch da wurden Bürger dieser Stadt in Gefangenenlager gesteckt, schikaniert, entrechtet, unterdrückt.

Es gab schon einen ersten Todesfall – der durchtrainierte, 31-jährige Hermann Wißmann aus Hoheneck starb am 8. April 1933 „aus ungeklärter Ursache“ im Gefangenenlager der Nazis. Er kam nicht aus irgendeinem Verein, er kam aus dem Athletiksportverein „Täle“ – einem Arbeiterverein. Denn Hermann Wißmann war Kommunist und aktiv in der Arbeiterbewegung. Nachdem die Nazis die Macht in die Hände bekommen hatten, schüchterten sie sofort ihre politischen Gegner ein – Bespitzelungen, Verhaftungen, ein paar Wochen Gefangenenlager, Schikanen.

Schon im März 1933 verboten die Nazis in Ludwigsburg Arbeitersport- und Kulturvereine und zogen deren Vermögen ein. Die Gewerkschaften blieben übrig – doch nur sehr kurze Zeit.

Am 4. April 1933 schafften die Nazis es, einen wichtigen Teil der organisatorischen Basis der Gewerkschaften zu zerstören: Sie verboten die regulär gewählten Betriebsräte. Gewählten Betriebsrät/innen wurden die Mandate entzogen. Einige wurden vom Betrieb entlassen, einige wurden interniert. Die Zerstörung der Existenz, die Verbreitung von Angst – das waren die Werkzeuge des NS-Systems.

Am 1. Mai 1933 erfüllten die Nationalsozialisten dann eine uralte Forderung der Arbeiterbewegung: Sie machten diesen Tag zu einem Feiertag. Kommunisten und Sozialdemokraten bekämpften sich gegenseitig und und lähmten damit das Lager der grundsätzlich fortschrittlichen Kräfte. Die SPD und die von ihnen geführten Gewerkschaften forderten dazu auf, den Maifeiertag von Nazi-Gnaden mitzufeiern – doch das Anbiedern half nichts: Am 2. Mai wurden die Gewerkschaftshäuser wie das in Stuttgart von den Nazis besetzt, die Gewerkschaften zerschlagen.

Es ging kein Aufschrei durch Deutschland, nicht am 4. April, als die Betriebsräte zerstört wurden, nicht am 2. Mai, als die Nazis die Gewerkschaften selbst kassierten. „Steht nicht, Brüder, steht nicht länger, endlich regt die Händ’, steht nicht Schwestern, löscht das Feuer“? Nein. Keine starke, gemeinsame Aktion erhebt sich gegen die das Unrecht der Nazis.

Ich bin einer von den Leuten, die sich seit einigen Jahren verstärkt um diesen Platz hier kümmern, einfach aus bürgerschaftlichem Engagement heraus. Wir finden, dass aktive Erinnerung an die Nazi-Verbrechen der erste Schritt sein kann, die Logik dahinter zu verstehen. Auch vor diesem Hintergrund fordern wir jedes einzelne Menschenrecht im heutigen Alltag für jede und jeden ein, egal wo sie geboren wurden, welche Religion sie haben, welche Meinung sie haben – nur gegen die Feinde der Toleranz sind wir intolerant. Hier müssen wir überzeugen, Bündnisse bilden, handlungsfähig sein!

Darum sage ich: Gut, dass Ihr hier seid! Danke! Wenn wir die Lektionen lernen, die Hermann Wißmann uns aufgibt und die Mordechaj Gebirtig uns aufgibt und die vielen Millionen anderer, wenn wir eine Einheit der progressiven, menschenfreundlichen Kräfte erhalten (bei allen unterschiedlichen Standpunkten), dann bin ich völlig zuversichtlich.

Wir werden wir dieses Deutschland und das über Jahrzehnte relativ erfolgreiche Friedensprojekt Europa nicht den Dumpfbacken überlassen. Nicht denen, die mit scheinbar einfachen Antworten punkten wollen. Nicht denen, die sich mit anti-europäischen Parolen im europäischen Parlament noch breiter machen wollen und das Rad zurückdrehen wollen. Nicht denen, die im Menschen ausgrenzen wollen, die Menschen ihrer grundlegenden Rechte berauben wollen.

Das Bild, das diese Leute von der Zukunft haben, kennen wir schon – aus der Vergangenheit.

Wir sehen sie zündeln, aber wir regen die Händ’, wir löschen das Feuer, wenn sie wollen, dass unser Städtchen brennt, dass unser Kontinent brennt.

Wir stehen für ein solidarisches und gerechtes Europa – jetzt aber richtig!

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10. November 2018: „Vor 80 Jahren zerstörten Verbrecher die Ludwigsburger Synagoge“

Die Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, Barbara Traub, war Gast beim traurigen Jubiläum. Sie sprach sich engagiert für eine Verteidigung von Grundrechten für Angehörige aller Menschengruppen aus und schloss dabei ausdrücklich auch muslimische Gläubige ein, die auch in Deutschland Opfer von Ausgrenzung werden.

Die Musiker Andreas Rapp und Felix Meyerle zeigten mit ihrem ebenso ansprechenden wie anspruchsvollen Programm, wie bewegend traditionelle jüdische Musik in Kombination mit Jazz-Elementen klingt.

Für die Stadt Ludwigsburg erklärte der Erste Bürgermeister Konrad Seigfried:

Ich freue mich, dass Sie alle heute Abend zur Gedenkfeier gekommen sind und darf Ihnen auch die herzlichen Grüße unseres Oberbürgermeisters Werner Spec übermitteln, der heute mit Schülerinnen und Schülern aus Ludwigsburg und Montbéliard das Ende des Ersten Weltkrieges begeht. Ich darf auch die Grüße unseres Gemeinderates übermitteln.

Wir sind heute wieder zusammengekommen,

• um gemeinsam ein Zeichen zu setzen,

• um gemeinsam die Erinnerung an diesen schrecklichen Teil unserer Stadtgeschichte wach zu halten,

• um gemeinsam unsere Stimme zu erheben für Menschlichkeit und gegen Rassismus,

• und um deutlich zu machen, dass wir für unsere Geschichte einstehen und Verantwortung übernehmen, alles dafür zu tun, um jeder Entwicklung Einhalt zu gebieten, die danach trachtet mit Ressentiments, Hass und Hetze Mitmenschen wieder zu Unmenschen zu definieren.

Wir feiern in diesem Jahr 300 Jahre Stadt Ludwigsburg. Ein Jahr der Rückschau, vor allem aber auch ein Jahr, das dem heutigen Zusammenleben und unserer Zukunft und Verantwortung gewidmet ist.

Der 10. November 1938 war der beschämendste Tag unserer 300 jährigen Stadtgeschichte. Und die Reichspogromnacht zählt zu den Ereignissen in unserem Land, die sich nie, nie auch nur in Ansätzen wiederholen dürfen.

Am 10. November 1938 fiel an genau diesem Ort die Ludwigsburger Synagoge dem Pogrom zum Opfer. Von Brandstiftern, also Verbrechern, angezündet, von vielen Bürgerinnen und Bürgern beobachtet, wurde das jüdische Gemeindeleben in dieser Stadt zerstört.

Vor 80 Jahren wurden während der Novemberpogrome in ganz Deutschland jüdische Friedhöfe geschändet, mehr als die Hälfte aller Synagogen und Betstuben niedergebrannt, über 7.500 Geschäfte jüdischer Inhaber demoliert und Wohnungen zerstört. Langjährige Nachbarschaften haben von einem Moment auf den anderen nicht mehr getragen. Mehr als 1.300 Menschen starben während dieses Pogroms und unmittelbar danach an den Folgen der Ausschreitungen.

Die gezielt geplanten Gewaltexzesse mutierten zum Flächenbrand, kaum eine jüdische Gemeinde blieb verschont. Die Reichs-pogromnacht markierte den Übergang von der fortschreitenden Diskriminierung deutscher Juden zu deren systematischer Entrechtung, Verfolgung und schließlich deren Vernichtung. Sie weitete sich mit Beginn des Zweiten Weltkrieges auf fast ganz Europa aus. Der Holocaust wurde zum Inbegriff einer kollektiven, industriell organisierten Ermordung von Menschen. 6 Millionen Jüdinnen und Juden wurden in Europa ermordet. Eine unvorstellbare Zahl, die erst mit der persönlichen Geschichte von Menschen, wie Sie auch hier auf dem Synagogenplatz dargestellt werden, in ihrem ganzen Grauen erkennbar wird.

Dieser Teil unserer Geschichte war ein offener Angriff auf jede Menschlichkeit und ein ungeheurer Zivilisationsbruch. Der kaum spürbare Widerstand, die fehlende Anteilnahme am Schicksal der jüdischen Menschen, die Gleichgültigkeit, war kennzeichnend für die Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Dieser zivilisatorische Bruch ist, aus heutiger Sicht, für uns alle noch immer schwer erklärbar.

In einem kürzlich veröffentlichten Interview fasste ein Überlebender des Holocaust diesen Tag wie folgt zusammen: „Der 9. November. war ein Schicksalstag für alle Juden in Deutschland, er war das Ende des Lebens“

Wir gedenken heute gemeinsam dieser Ereignisse. Wir gedenken unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, die zwar nicht hier auf dem Synagogenplatz, aber in Gefängnissen und KZs misshandelt, vertrieben und viele später ermordet wurden.

Wir verneigen uns vor unseren ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und allen Opfern des Holocaust in tiefem Mitgefühl.

Mit diesem Gedenken halten wir die Erinnerung wach. Wir haben in diesem Jahr unseres Stadtjubiläums auch viele großartige Ereignisse unserer Stadtgeschichte wieder aufleben lassen. Doch wir setzen uns auch mit den Niederungen und Abgründen auseinander, um daraus Konsequenzen für unser Handeln zu ziehen.

Ludwigsburg ist eine großartige, inspirierende Stadt – damals als zukunftsweisende Modellstadt geplant, mit Gestaltungswillen und nimmermüdem Ideenreichtum. Stadt denken – Stadt leben – Stadt gestalten war in diesem Jahr unser Motto.

Dennoch vergessen wir auch die Momente unserer Stadtgeschichte nicht, auf die wir nicht stolz sind und die uns sehr beschämen:

• Die Zwangsrekrutierung von Soldaten („Soldatenverkauf“), die dann bspw. beim Kap-Regiment eingesetzt wurden. Von den 3 200 Mann, die von Ludwigsburg zur holländisch-ostindischen Kompanie verlegt wurden, kamen gerade einmal 125 zurück.

• Dem Justizmord an Joseph Süß Oppenheimer, dem Finanzier des Herzogs.

• Dem schändliche Umgang mit der Familie Elsas, ich erwähne ausdrücklich Max Elsas als Stellvertreter des damaligen Oberbürgermeisters.

• Und, gerade deswegen sind wir heute hier, dem Niederbrennen der Ludwigsburger Synagoge und der Vertreibung und Vernichtung des jüdischen Lebens in unserer Stadt.

• Auch die anfängliche Ablehnung der Zentralen Stelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen durch Teile der Ludwigsburger Bevölkerung gehört nicht zum Ruhmesblatt von Ludwigsburg.

Sich im Sinne des grundsätzlichen Bekenntnisses zu unserer Demokratie kritisch mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und künftige Fehlentwicklungen zu verhindern. Antisemitismus und die grundsätzliche Ausgrenzung von Minderheiten sind allgegenwärtige Probleme, die gerade in letzter Zeit wieder unangemessen und unangenehm Raum einnehmen und sich in unserer Gesellschaft breit zu machen drohen.

Auch unsere Ludwigsburger Stadtgeschichte taugt zur Mahnung daran, dass die Würde des Menschen, aller Menschen, unantastbar sein muss und alle aufgefordert sind, diese jederzeit zu verteidigen. Ich bin heute Stolz darauf, dass wir engagierte Menschen in unserer Stadt haben, die sich mutig einsetzen, dass wir viele Menschen finden, wenn es darum geht Humanität zu verteidigen, Rassismus entgegen zu treten und auch den Mut haben, ihren Mund auf zu machen.

Ich freue mich darüber, dass am Theaterturm weithin sichtbar, diese Losung unserer Verfassung prangt: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Lassen Sie uns gemeinsam und immer wieder sichtbare Zeichen setzen:

• wie hier und heute auf dem Synagogenplatz, ein Ort zum Nachdenken, ein Ort der mahnenden Erinnerung,

• mit den bereits 77 Stolpersteinen in unserer Stadt, die das Schicksal unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, aber auch das Schicksal von Behinderten, politisch Verfolgten in Erinnerung rufen.

• Demnächst mit einer Sophie Scholl- oder Geschwister Scholl-Schule. Im Übrigen auf Antrag unseres Jugendgemeinderates.

• Mit der Zentrale Stelle, die wir dauerhaft in Ludwigsburg mit einem wissenschaftlich-pädagogischem Konzept, als Gedenk- und Forschungszentrum erhalten wollen.

• Vor allem aber mit so vielen engagierten Menschen, wie sich nicht zuletzt im Arbeitskreis Synagogenplatz zu finden sind, einem lebendigen Beispiel, wie Bürgerinnen und Bürger aus unserer Mitte dafür sorgen, dass die Menschen, denen während der Naziherrschaft Unbeschreibliches widerfahren ist, nicht in Vergessenheit geraten.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle an das Ehepaar Susanne und Uwe Müller zu erinnern, zwei im Förderkreis sehr aktive Mitglieder, die in diesem Jahr verstorben sind. Susanne und Uwe Müller war ihr Engagement im Arbeitskreis Synagogenplatz eine Herzensangelegenheit. Zahlreiche Ideen gehen auf sie zurück, die Schülergeschichtswerkstatt zum Beispiel oder die Lesung des Grundgesetzes hier auf dem Synagogenplatz. Ihr Kontakt zu allen Menschen war von einer Offenheit und Herzlichkeit geprägt, die bemerkenswert war.

Beide haben mit ihrem Wirken auch an uns die Frage gestellt:

Tun wir wirklich genug ,um dem Antisemitismus, Rechtsextremismus und Fremdenhass entgegen zu treten?

Nehmen wir wirklich wahr, wenn Menschen, wenn Minderheiten, wegen ihrer Religion, Hautfarbe oder sexuellen Orientierung diskriminiert werden?

Gerade jetzt, wo viele Menschen aus den Krisenregionen dieser Welt flüchten und bei uns Schutz suchen, braucht es besondere Achtsamkeit, braucht es den Rückhalt im Alltag, braucht es menschliche Werte. Werte unserer Verfassung, die nicht nur auf dem Papier stehen dürfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

„Wir Menschen gestalten Geschichte. Mit realistischen Visionen und Klugheit können wir den Wandel vorantreiben. Das Beste, das uns gegeben wurde, ist unser Hirn. Wir müssen es nutzen“. Mit diesem Zitat des Dalai Lama bedanke mich für das Engagement vieler Menschen und ihr Kommen am heutigen Abend.

Insbesondere sage ich herzlichen Dank an sie, lieber Jochen Faber, der Sie auch heute wieder den Großteil der Vorbereitungen übernommen haben. Danken möchte ich auch meinem Fachbereichsleiter Volker Henning und seinem Team für die vorbereitenden Arbeiten.

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9. November 2018: Das Schillergymnasium auf dem Synagogenplatz

Wer von den Schülerinnen und Schülern des Ludwigsburger Friedrich-Schiller-Gymnasiums (FSG) wollte, konnte kleine Steine bemalen, um seinen Bezug zu den verfolgten jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn auszudrücken. Über hundert solcher Steine wurden auf den Koffern abgelegt, die auf dem Synagogenplatz an die Menschen erinnern, die während des NS-Regimes aus Ludwigsburg deportiert und ermordet wurden, weil sie jüdischer Herkunft waren. Damit starete das FGS eine für viele Passanten über Wochen sichtbare Aktion.

Schulleiter Ulrich von Sanden verband den hundertsten Geburtstag der ersten Demokratie in Deutschland mit dem 80. Jahrestag der judenfeindlichen Pogrome als Aufruf, die Demokratie und ihre Freiheiten nie als selbstverständlich anzusehen. Arbeitsgruppen hatten Biografien von Ludwigsburger Jüdinnen und Juden erarbeitet, die Opfer der brutalen Verfolgung geworden waren, und präsentierten sie anschaulich. Gemeinsame Lieder, auch mit hebräischen Textteilen, unterstrichen die Verbindung zu den vertriebenen Nachbarinnen und Nachbarn.

Um eine Verbindung zum heutigen Leben herzustellen, waren Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften eingeladen, um ihre Sicht auf den Zustand von Toleranz in der aktuellen Gesellschaft darzustellen. Sie dankten den Schülerinnen und Schülern für ihre engagierte Beteiligung und ermunterten sie, aufmerksam und hilfsbereit den Alltag zu gestalten.

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November 2018: Zum Tod von Harry Grenville

Harry Grenville, der als Kind einer jüdischen Ludwigsburger Familie den Nazi-Terror überleben konnte, ist Anfang November im Alter von 92 Jahren in seiner zweiten Heimat in England gestorben. Der Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz und die Stolperstein-Inititative Ludwigsburg haben damit einen wichtigen Zeitzeugen und engagierten Unterstützer verloren. Zuletzt hatte Harry Grenville im Jahr 2014 die Stadt seiner Kindheit wieder besucht und hielt eine Rede bei der Einweihung des neu gestalteten Synagogenplatzes.

1926 wurde er als Heinz Greilsamer geboren, seine Eltern waren Klara und Jakob Greilsamer – sie war eine Tochter der über Generationen in Ludwigsburg lebenden Familie Ottenheimer, er kam aus dem Badischen und führte gemeinsam mit seinem Schwiegervater die „Württembergische Papierzentrale“. Heinz und seine zwei Jahre jüngere Schwester Hanna verlebten eine glückliche Kindheit in Ludwigsburg, bis die Anhänger des Nationalsozialismus mit ihrem Judenhass die Familie immer stärker bedrängten und verfolgten.

Heinz und Hanna mussten 1938 ihre Schule in Ludwigsburg verlassen und in einer jüdischen Schule in Stuttgart unterrichtet werden. Im Juni 1939 konnten ihre Eltern sie mit einem Kindertransport nach England schicken – das Versprechen, man werde sich wiedersehen, war nicht einzuhalten: Jakob und Klara Greilsamer sowie ihre Mutter Sara Ottenheimer wurden 1941 gezwungen, in einem „Judenhaus“ in Stuttgart zu leben. 1942 wurde das Ehepaar mit vielen anderen in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt, 1944 wurden sie in Auschwitz ermordet.

Heinz Greilsamer gab sich in England den neuen Namen Harry Grenville. Er machte eine Ausbildung als Laboratoriumsgehilfe und studierte anschließend am Londoner King’s College, um Lehrer zu werden. Er heiratete und wurde Vater von drei Kindern. Zur Verlegung der Stolpersteine, die in der Mathildenstraße an seine Eltern und seine Großmutter erinnern, kam er 2009 mit seinen Kindern und seiner Enkeltochter. Bereits Jahre zuvor hatte er durch eine Geldspende die Anschaffung von Büchern in Schulbibliotheken über die NS-Geschichte ermöglicht.

Durch persönliche Begegnungen und schriftliche Berichte gab Harry Grenville den Aktiven der Stolperstein-Initiative und des Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz viele wertvolle Informationen und viel Motivation für ihre aufklärerische Arbeit. Im Kontakt mit Schülerinnen und Schülern sind seine Notizen und sein persönliches Beispiel der Versöhnung und des wachsamen Umgangs mit Geschichte und Gegenwart wertvolles Material für die Ludwigsburger Initiativen. In seinem Umfeld in England war er ebenfalls bis ins hohe Alter sehr engagiert, um Wissen und Bewusstsein über Judenhass, seine brutalen Auswirkungen und was dagegen getan werden kann, zu verbreiten.

Seine herzliche Art, Menschen zu begegnen, machte Harry Grenville vielen sehr sympathisch. „Damals fühlten wir uns von der Stadt, von den Menschen ausgestoßen“, sagte Harry Grenville bei einem seiner Besuche in Ludwigsburg. Heutzutage dagegen fühlten er und seine Familie, dass sie willkommen seien. Die Trauer über die selbst erlebte Verfolgung und die Ermordung seiner Verwandten konnte er so mit persönlichen Kontakten verbinden, durch die seine Mahnung zu Mitmenschlichkeit und Engagement in Ludwigsburg ankam und bleiben wird.

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Juni 2018: Zum Tod von Susanne und Uwe Müller

Viele Ideen brachten Susanne und Uwe Müller in die Diskussionen und Aktionen rund um den Synagogenplatz ein – und sie waren beide Menschen, die auch beim Umsetzen von Konzepten beherzt und beharrlich mitwirkten. Ohne den Bedarf, sich in die vordere Reihe zu stellen, übernahmen sie vielfach Verantwortung für das vielfältige Projekt.

Im Jahr 2009 entschieden die beiden sich, die damals anstehende Erneuerung des Synagogenplatzes mit voranzubringen. Sie brachten Projekte auf den Weg wie die Schüler-Geschichtswerkstatt oder die Grundgesetz-Lesungen auf dem Synagogenplatz. Sie motivierten Jugendliche ebenso wie Musiker, Wissenschaftler und viele, viele andere, bei Veranstaltungen mitzuwirken und damit die Geschichte der Ludwigsburger Synagoge und ihrer Menschen für Interessierte, quer durch alle Generationen, zugänglich zu machen.

Innerhalb weniger Wochen starben beide nach schweren Krankheiten. Ihre Verdienste um die gute Entwicklung des Synagogenplatzes in den 2010er-Jahren können gar nicht überschätzt werden.

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23. Mai 2018: Grundgesetz-Tag

Vor 69 Jahren, am 23. Mai 1949, trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Dieser Text wurde zur Basis des Zusammenlebens in Deutschland. Aus dem Grundgesetz wurde – spätestens durch die gesellschaftliche Realität seit der Vereinigung von BRD und DDR – die Verfassung der Bundesrepublik.

Wir feiern das Grundgesetz und seine zentralen Artikel an diesem Tag auf dem Synagogenplatz, der an schlimmste Menschenrechtsverletzungen erinnert. Wir wissen, dass Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit nicht überall übereinstimmen. Wir sind aufgefordert, daran zu arbeiten, dass die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit kleiner wird.

Zum Beispiel: Die Würde des Menschen ist unantastbar • Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit • Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich • Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich • Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern • Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln • Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich • Die Wohnung ist unverletzlich • Politisch Verfolgte genießen Asylrecht

Folgende Personen hatten für diesen Tag zugesagt, Menschenrechtsartikel aus dem Grundgesetz vorzustellen: Mio Schopf (wird an diesem Tag sieben Jahre alt) • Konrad Seigfried (Erster Bürgermeister) • Yücel Köylü (Runder Tisch Türkei) • Anke Wiest (Fachstelle Frau und Beruf) • Lutz Raasch (Apotheker i.R., wandelndes Ludwigsburger Geschichtsbuch) • Adriano Sentürk Di Cosola (Kinderkrebshilfe „Urmel e.V.“ Ludwigsburg) • Martin Wendte (Citypfarrer) • Tom Hager (Studierender in Ludwigsburg) • Anna Mehlin (Demokratiezentrum Baden-Württemberg und Studierende in Ludwigsburg) • Nicolai Köppel (Organisator Ludwigsburger Literaturfest, Autor, Liedermacher) • Katja Larbig (Diakonischer Vorstand Karlshöhe Ludwigsburg) • Vithusan Vijayakumar (Jugendgemeinderat) • Roland Schmierer (Berufsschullehrer, im Bürgerverein Neckarweihingen auch in Erinnerungsarbeit aktiv) • Andrea Kling (Reiseverkehrskauffrau) • Cem Ercetin (Krankenpfleger und Betriebsrat im Klinikum) • Sami Ercan (Integrationsbeirat) • Yodit Aiemut (Sachbearbeiterin und Betriebsrätin bei der Stadt) • Sigrid Zimmerling (Geschäftsführerin der Bezirkskammer Ludwigsburg der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart) • Gottfried Engel (Geschichtslehrer i.R.) • Sascha Albrecht (Schulsozialarbeiter, Theatermacher) • Constantin Weyrich (Oberreferendar Schiller-Gymnasium) • Anita Wesner (von den 60er-Jahren bis zu den Stolpersteinen aktiv für Erinnerung an NS-Verbrechen und angemessenen Umgang damit) • Thomas Roth (Jugendsachbearbeiter und Ansprechpartner für Muslime beim Polizeirevier Ludwigsburg) • Mazen Mohsen (Musiker) • Daniel Simon (langjähriger Unterstützer des AK Synagogenplatz)

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10. November 2017: Erinnerung! Mahnung!

Brücken ivon der Geschichte in die Gegenwart baute das Programm am 69. Jahrestag der Synagogenbrandstiftung in Ludwigsburg. Stadtarchivar Dr. Simon Karzel berichtete anschaulich, was Archivstücke vom Leben der Jüdinnen und Juden in Ludwigsburg zeigen. Der Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec unterstrich die Verantwortung der gegenwärtigen Generation für ein tolerantes und engagiertes Zusammenleben verschiedenster Gruppen von Menschen in der Stadt. Wortwörtlich grenzenlose Musik spielte das Quartett Café Dünya.
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9. November 2017: Konzert mit Asamblea Mediterranea

Das Ensemble „Asamblea Mediterranea“ um den Gitarristen Alon Wallach spielte für den Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz am geschichtsträchtigen 9. November. Die Musikauswahl ist ebenfalls bedeutsam – in einem durch und duch positiven Sinn: Die Lieder sephardischer Juden umfassen Elemente aus allen Kulturen, die bis ins 15. Jahrhundert friedlich nebeneinander und miteinander auf der iberischen Halbinsel lebten: jüdische, muslimische und christliche Musiktradition klingt da wieder, wenn das Ensemble aus vorzüglichen Interpretinnen und Interpreten aufspielt.
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12. September 2017: Zum Tod von Miriam Weiss

Mit neun Jahren floh sie mit ihrer jüdischen Familie aus Deutschland und entkam so dem Holocaust. Miriam Weiss, als Inge Marx in Ludwigsburg geboren, ist nun in Israel gestorben - in der Siedlung Shavei Zion, die ihre Eltern mit aufgebaut hatten. Sie hinterlässt ihren Mann Menachem, eine große Familie und ein großes Vermächtnis: ,,Wir wollen heute alle nur in Frieden leben.“

Schon 1937, Inge war gerade einmal acht Jahre alt, war die Familie Marx aus ihrer Wohnung in der Myliusstraße geworfen worden, auch in der Hoferstraße wohnte sie kurz, wie die Urenkelin des damaligen Vermieters, Stefanie Raab, berichtet. Noch heute ist die Bäckerei Raab in dem Haus am Schillerdurchlass zu Hause. Nur einJahr in der Schule in Ludwigsburg zugelassen, flüchtete Inge mit ihrer Familie zur jüdischen Gemeinde nach Stuttgart, wo sie mir ihrer Schwester Adolf Hitler und die jubelnde Masse auf der Königstraße erlebte. Sie wussten nicht genau, um was es ging, aber eines hatten sie mitbekommen: „Wegen dem müssen wir weg.“

Kurz darauf kam die Flucht über die Schweiz und Italien mit dem Schiff nach Palästina, aus Inge Marx wurde Miriam Marx, später durch Heirat Miram Weiss. Dass die Flüchtlinge von Arabern beschossen wurden, als sie in Haifa das erste Mal das Gelobte Land betraten, hat sie nie vergessen - auch wenn sie mit ihrem Mann Menachem aus Berlin, den sie in der Siedlung kennenlernte, ein arabisches Stammlokal in Naharija hatte.

Die Flucht aus Deutschland im Mai gelang mit einer Gruppe Juden aus Rexingen (heute Horb). Miriams Eltern stammten ursprünglich aus Freudental, und beide Gruppen, im Zionismus vereint, planten die Flucht gemeinsam. Dass es ihnen im Mai 1938 gelang und damit nur kurz vor der Pogromnacht im November, war ein ausgesprochenes Glück. Die Eskalation war damals trotz der zahllosen Repressalien für Juden und deren Diskriminierung nicht abzusehen. Alle Familienmitglieder überlebten. Auch wenn die Familie Mühe hatte, die 1000 Pfund zusammenzubringen, die nötig waren, um sich in der späteren Siedlung Shavei Zion nördlich von Haifa einzukaufen.

Ein Husarenstück: Nach Vorgabe der britischen Regierung hatten die Neuankömmlinge 24 Stunden Zeit, ihr Grundstück mit Zaun und Wachturm auszustatten und damit die Siedlung Shavei Zion zu sichern. Das gelang.

Dort ist Miriam Weiss im Alter von 89 Jahren am 12. September zu Hause gestorben, ihr Mann Menachem lebt weiter in der Wohnung. Dort bekam sie ihre zwei Söhne, die mit ihren fünf Enkeln und zwei Urenkeln aber nicht mehr dort zu Hause sind. Dort arbeitete sie - zunächst wie ihre Familie und die Rexinger Gruppe in der Landwirtschaft zu Hause - als Erzieherin, Menachem im Hotel. Dort pflegte sie die schwäbische Küche mit Spätzle und Maultaschen.

Mit LKZ-Redakteur Steffen Pross, der sie mehrmals in Israel besuchte, unterhielt sie sich im breitesten Schwäbisch, ihre Wohnung war voller Fotos von Württemberger Juden, und ihr Mann kann bis heute auswendig deutsche Gedichte rezitieren. Heute ist Shavei Zion (auf Deutsch: Rückkehr nach Zion) ein Dorf mit schönem Badestrand und rund 850 Einwohnern aus Israel, damals war die Siedlung ein rundum schwäbische Enklave.

Miriam Weiss war das letzte Mal 2012 in Ludwigsburg, bei der Gedenkfeier zum Brand der Synagoge am 10. November. Sie war immer wieder nach Ludwigsburg gekommen und hielt den Kontakt, informierte sich auch über die Ludwigsburger Kreiszeitung. Sie wollte ihren Kindern zeigen, woher sie kam. In Deutschland lebe mittlerweile eine andere Generation, sagte sie: ,,Wir wollten unseren Kindern unsere Wurzeln zeigen. Und deutlich machen, dass es dort nicht nur Nazis gibt.“

Ganz in die Heimat zurückkehren stand für die überzeugte Zionistin jedoch nie zur Debatte: ,,Es gibt nur einen Platz für Juden auf dieser Welt, und das ist Israel.“ „Miriam Weiss hat in Israel den Platz fürs Leben gefunden, ihre alte Heimat in Ludwigsburg hat sie nicht vergessen“, sagt Jochen Faber, der mit ihr für die Einrichtung des Synagogenplatzes als Erinnerungsstätte kämpfte. Ihre freie Rede vor fünf Jahren in Ludwigsburg, als sie ihr Manuskript wegsteckte und für ein friedliches Zusammenleben appellierte, wie auch das jüdische Totengebet Menachems, bewegten das Publikum stark. ,,Wir wollen heute alle nur in Frieden leben“, sagte sie damals. ,,Denkt an unsere Kinder.“

Janna Werner, Ludwigsburger Kreiszeitung

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23. Mai 2017: WIR STEHEN AUF! unser Grundgesetz

Ein Artikel der Journalistin Hilke Lorenz in der Stuttgarter Zeitung hatte Folgen: Uwe Müller vom Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz fand das darin geäußerte Bedauern, die Menschen in der Bundesrepublik würden ihre Verfassung nicht beherzt genug feiern sehr wichtig. Darum entwickelte er die Idee, das Grundgesetz an seinem Geburtstag, der 23. Mai, auf dem Synagogenplatz zu feiern. Also auf einem Platz, auf dem das Fehlen von Grundrechten so grausam vor Augen geführt worden war.

Eine solche bürgerschaftliche Feier ist in gewisser Weise das Gegenstück zum Gedenken an die Brandstiftung, das jährlich am 10. November stattfindet: Das Grundgesetz mit seinen Menschenrechts-Artikeln ist eine wichtige Konsequenz, die aus dem Versagen von Recht und Ordnung in der Nazi-Diktatur gezogen wurde.

Der AK Dialog Synagogenplatz fragte in der Stadt herum und fand eine Menge Menschen aus vielen Bereichen des städtischen Lebens, die bei dieser Aktion mitzumachen bereit waren. Jede*r las einen der Grundrechts-Artikel vor. Dazu gab es Musik vom Ensemble „Taktlos“, vom Internationalen Chor aus Stuttgart und von der Musikgruppe „Makel los“. Folgende Personen aus der Stadtgesellschaf trugen Grundrechts-Artikel vor: Tina Gonsiorek (Tanz- und Theaterwerkstatt) • Werner Wisniewski (Stadtzinkinist) • Martina Wörner (VHS Ludwigsburg) • Eberhard Simon (Einzelhändler Innenstadt) • Sebastian Weimann (Regisseur und Produzent) • Sujatha Wanigesinghe (Assistenz des Geschäftsführers Filmakademie Ludwigsburg) • Dorothea Volke (Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg) • Muhittin Soylu (Zentralrat der Muslime) • Hans-Martin Zipfel (kath. Kirche St. Paulus) • Hilke Lorenz (Journalistin, Autorin) • Eberhard Daferner (Stadtrat; als Vertreter von Gemeinderat und Stadtverwaltung) • Inge Kirsner (Hochschulpfarrerin) • Andreas Klaue (Schauspieler, Theatersommer Ludwigsbug) • Bouchra Kaplan (Integrationsbeirat) • Winfried Speck (Dekan Evangelische Kirche) • Anne Schneider-Müller (Geschäftsführerin LudwigsTafel) • Peter Müller (Staatsarchiv Ludwigsburg) • Michael Schopf (Veranstaltungsfirma Lautmacher) • Marlis Albrecht (Malerin) • Yazan Al-Rojouleh (Bufdi bei der Stadt Ludwigsburg) • Axel Müller (Projektleiter Ludwigsburger Innenstadt-Verein Luis) • Thomas Stierle (Leiter der Stadtbibliothek) • Uwe Jansen + Schüler*innen Goethe-Gymnasium • Marion Werling-Barth + Schüler*innen Schiller-Gymnasium • Beatrix Hellwage-Rathgeber (GEW) • Jens Rommel (Leiter Zentrale Stelle) • Julia Schell (Integrationsbeirat-Mitglied)

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29. bis 31. Juli 2013: Ludwigsburger Schüler-Geschichts-Werkstatt

Ein knappes Dutzend interessierter Jugendlicher war dabei, als Mitglieder des Arbeitskreis Dialog Synagogenplatz drei Tage lang eine Menge Informations- und Erfahrungs-Angebote machten. Die Gesichte jüdischer Bürgerinnen und Bürger Ludwigsburgs war das Thema, Integration und Fremdheit, Freundschaft und Ausgrenzung. Durch Vorträge und Filme, eigene Recherchen in biografischem Material und den Besuch von Stadtarchiv und Staatsarchiv sammelten die Jugendlichen Fakten und Eindrücke über Menschen aus Ludwigsburg, die wegen ihrer Abstammung von den Nazis verfolgt wurden.

Das gesammelte Wissen verarbeiteten sie zu einer fachkundigen Stadtführung zum Synagogenplatz und zu einigen Häusern der Innenstadt, in denen jüdische Familien gewohnt hatten. Diese Führungen konnten sie in der Folgezeit auch Gruppen von Gleichaltrigen anbieten.

Die Jugendlichen verwendeten die ersten Tage ihrer Sommerferien für dieses Projekt. Die Archive stellten engagiertes Personal zur Verfügung, der CVJM einen perfekten Ort. Vorbereitet und begleitet wurde die Ludwigsburger Schüler-Geschichts-Werkstatt 2013 von Susanne Müller, Uwe Müller und Jochen Faber.

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Mai 2003: Besuch überlebender jüdischer Bürgerinnen und Bürger Ludwigsburgs

Über diesen Besuch gibt es eine Broschüre, die hier durchgeblättert werden kann (auf das Bild „Keine Zukunft ohne Erinnerung“ klicken)
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10. November 1988: Vortrag von Albert Sting zur jüdischen Geschichte in Ludwigsburg

Der Vortrag wurde zum 50. Jahrestag der Synagogenbrandstiftung gehalten. Im Jahr 2013 gab Albert Sting dem vielfachen Wunsch nach, diese grundlegende Recherche noch einmal vorzustellen. Von dieser Veranstaltung stammt das nebenstehende Foto – einfach darauf klicken, um zum Vortrag zu gelangen.
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